Ein Expertengremium präsentiert in Nürnberg die „älteste Taschenuhr der Welt“ erstmals einer erweiterten Öffentlichkeit.
Nürnberg, 2. Dezember 2014 – Peter Henlein und die ihm zugeschriebenen Taschenuhren sind derzeit nicht nur bei Uhrenexperten rund um den Erdball in aller Munde. Anlass ist ein aktuelles Forschungsprojekt, das verschiedene Exponate untersucht hat und nun in einer Ausstellung in Nürnberg der Öffentlichkeit präsentiert. Eine weitere Bisamapfeluhr wird dabei jedoch von den Wissenschaftlern seit langer Zeit vernachlässigt. „Daher stellen wir sie nun selbst der Öffentlichkeit vor, um die wissenschaftliche Debatte und auch die Exposition selbst zu bereichern“, sagt Wolfgang Köhler, Rechtsanwalt und Sprecher des Inhabers der Uhr. Dieser möchte aus Sicherheitsgründen anonym bleiben. Auf einer Pressekonferenz in Nürnberg hat ein Expertengremium erstmals die in Sammlerkreisen als „älteste Taschenuhr der Welt“ bekannte Bisamapfeluhr einer erweiterten Öffentlichkeit präsentiert. „Neue unabhängige Untersuchungsergebnisse belegen eindeutig, dass die Hände Peter Henleins im Jahr 1505 dieses Meisterwerk erschaffen haben“, sagt Köhler. „Wir bieten allen Wissenschaftlern an, sich persönlich ein Bild davon zu machen.“
So hat ein akkreditiertes Prüflaboratorium im Rahmen einer 3D- Computertomographie unzählige der bisher bei einigen Wissenschaftlern umstrittenen winzigen „PH“ („Peter Henlein“)- Signaturen in der Bisamapfeluhr nachweisen können. Sie sind teilweise unter 0,05 Millimeter groß.
Bisamapfeluhr, geöffneter Deckel
„Die Uhr sitzt bei dieser Prüfmethode auf einem Drehteller und wird mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Und das passiert in 1000 bis 2000 Schritten. Die einzelnen Bilder, die auf dem Detektor aufgenommen werden, werden nachher mit einer Software aufgewertet“, erklärt Dr. Peter Mikitisin, Physiker, Sachverständiger und Spezialist im Bereich der industriellen Computertomographie, das aufwändige Verfahren. Er hat die Untersuchung verantwortlich betreut. Das hochmoderne 3D-Computertomographie-System „phoenix nanotom m“ untersuchte einen lediglich 9,1 Millimeter langen Splint der Uhr. Allein hier finden sich unzählige der Signaturen „PH“ (für Peter Henlein) beziehungsweise „PHN“ (Peter Henlein Nürnberg). Das verwendete Gerät wird häufig in der wissenschaftlichen Forschung verwendet.
„Taschenuhr-Rätsel gelöst“
Auch fachdisziplinenübergreifende Techniken wie die Mikrofotografie verschaffen einen Einblick in die Bisamapfeluhr und die Arbeitsweise von Peter Henlein. Dipl.- Ing. (FH) Frank Fox, Fotograf, Experte für Mikro- und Makrofotografie, hat die Uhr intensiv unter die Lupe genommen. „Auf den Mikrofotografien lassen sich beispielsweise auf dem Eisensplint eindeutig die winzigen Geheimsignaturen PH erkennen. Für mich ist das Taschenuhr-Rätsel gelöst.“
Kaum ein Uhrmachermeister in Deutschland hat so viele antike Uhren in Händen gehabt wie Hermann Grieb vom Atelier GRIEB & BENZINGER. Begeisterte Uhrensammler schätzen seine langjährige Erfahrung und tadellose Handwerkskunst. Der Uhrmachermeister, Spezialist auf dem Gebiet der traditionellen Restauration von alten Meisterwerken und leidenschaftlicher Sammler, ist sich nach intensiver Begutachtung der Uhr sicher: „Da ist nichts dran gebastelt, das ist sie. Das weiß man als Uhrmacher mit etwas Berufserfahrung, ob so ein Gegenstand echt, nachgebaut oder gefälscht ist“.
Zahlreiche weitere Hinweise auf die Urheberschaft Peter Henleins
Feststeht, dass dies nicht irgendeine Uhr ist – die nur 92 Gramm schwere, mit einem Durchmesser von 4,5 Zentimetern große Taschenuhr dürfte eine wissenschaftliche Sensation sein. Auf dem Gehäuse der Uhr fallen vor allem die kleinen Gravuren im Innengehäuse auf: Unter dem Ziffernblatt sind die Buchstaben „MDV PHN“ zu erkennen. Hieraus lässt sich auf die Jahreszahl 1505 und die Beschriftung „Peter Henlein Nürnberg“ schließen. Auf Grund neuerer Forschungen in Nürnberger Ratsschriften, Stadtrechnungen, Totengeläutbüchern und Grundstückseintragungen ließen sich bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts rund 30 Uhrmacher bestätigen. Darunter ist kein anderer Uhrmacher nachgewiesen, der tragbare Uhren herstellen konnte. Demzufolge ist Peter Henlein unter den Nürnberger Uhrmachern, die für das 16. Jahrhundert vermerkt sind, der einzige, auf den die Initialen „PH“ beziehungsweise „PHN“ zutreffen.
Bisamapfeluhr, alle Einzelteile
Weitere Untersuchungen brachten noch mehr Hinweise auf die Urheberschaft Peter Henleins ans Licht. Dem Gutachten des vereidigten Sachverständigen Jürgen Abeler zufolge kann eine Fälschung beziehungsweise ein Nachbau nur ausgeschlossen werden, wenn das Kupfergehäuse vor 1850 hergestellt wurde. „Handelt es sich um Elektrolyt-Kupfer, also chemisch reines Kupfer, muss es sich bei dem Gehäuse um eine moderne Nachbildung handeln. Das vor 1850 verwendete Kupfer hatte immer geringfügige andere metallische Bestandteile“, sagt Abeler. Auf seine Empfehlung hin untersuchte Professor Dr. Ludwig Richter von der Kunstakademie Stuttgart das Gehäuse mittels einer Laser-Mikro-Spektralanalyse. Er konnte klar nachweisen, dass Spuren von Blei und Zinn im Kupfer enthalten sind. Bei der Vergoldung handelt es sich um eine Feuer- und Silbervergoldung, wie sie schon seit Römerzeiten gefertigt wurde. Das Gutachten bestätigt, dass die Uhr vor 1850 gefertigt wurde und es sich nicht um eine Kopie aus dem Historismus (circa 1850-1914) oder der Neuzeit handelt. Diese Analyse wurde ebenfalls durch eine zweite Untersuchung vom Institut für Werkstoffkunde der RWTH Aachen bestätigt. Auch die LA-ICP-MS -Elementanalyse vom Forschungszentrum Jülich schließt eine Fälschung aus.
Weitere Informationen unter http://www.peterhenlein.de
Peter Henlein: der Mann, der seiner Zeit voraus war
Peter Henlein: Erfinder, Künstler, Feinmechaniker, Tüftler. Vor mehr als 500 Jahren hat er im mittelalterlichen Nürnberg extrem kleine und schwerkraftunabhängige Uhrwerke entwickelt, die am Körper getragen werden konnten. Viele nennen ihn daher den „Erfinder der Taschenuhr“. Peter Henlein lebte im 15. und 16. Jahrhundert in Nürnberg – eine raue Zeit, in der noch das Faustrecht galt. Gleichzeitig war Nürnberg neben Augsburg zu jener Zeit das führende Zentrum Europas in der Herstellung von Metallarbeiten. Es wurden Werkzeuge, Waffen, Draht, Geschirr und Instrumente wie Kompasse, Zirkel, Fernrohre, Mikroskope und Brillen hergestellt.
Die ersten Lebensjahre Henleins liegen bislang im Dunkeln. Man vermutet, dass er zwischen den Jahren 1479 und 1485 geboren wird, als Sohn von Hans und Barbara Henlein. Er stirbt im August 1542.
Über seine Jugend und Schulausbildung ist nicht viel bekannt, ausser, dass er bei einem Schlosser in die Lehre ging. Bereits in seiner Gesellenzeit fertigt er Uhren an.
In der Nacht zum 8. September des Jahres 1504 gerät er in Nürnberg in eine Rauferei, bei der der Schlosser Clemens Glaser ums Leben kommt. Der Verdacht fällt auf Peter Henlein, Paul Teffler und Jörg Heuss, der 1509 das heute berühmte „Nürnberger Männleinlaufen“ gebaut hat. Daraufhin flüchtet Peter Henlein in das Nürnberger Barfüßerkloster, um Asyl zu erbitten. Vier Jahre lebt er hinter den Mauern, in einem zu damaliger Zeit hoch technologischen Umfeld, zusammen mit Baumeistern und Gelehrten. Eine lange Zeit, in der er vermutlich die Werkzeuge der dort lebenden Tüftler verwendet, um in aller Ruhe der Konstruktion seiner wohl ersten Taschenuhr nachzugehen, der so genannten „Bisamapfeluhr“.
Nach dieser Zeit und mehreren Verhandlungen mit der Obrigkeit erhält er vom Rat der Stadt eine hohe Geldstrafe in Höhe von 20 Gulden, die er an die Angehörigen des getöteten Clemens Glaser zur Schlichtung zahlen muss. Jörg Heuss muss als Wiedergutmachung 40 Gulden zahlen.
Wieder in Freiheit spezialisiert er sich als Schlosser auf das Bauen von Uhren und konstruiert auch für den Rat der Stadt Rathaus- und Turmuhren. 1509 wird er Meister des Schlosserhandwerks. In städtischen Rechnungsaufzeichnungen von Nürnberg ist später im Jahr 1924 ein urkundlicher Nachweis entdeckt worden, nach dem Henlein am 11. Januar 1524 einen vergoldeten Bisamapfel mit Uhr verkauft hat. Dies ist der früheste dokumentarische Beweis, dass Henlein tatsächlich vergoldete Bisamapfeluhren hergestellt hat. Auf weiteren Exponaten hat man ebenfalls Mikrogravuren mit seinen Initialen entdeckt, die auch in einem Gutachten bestätigt worden sind.
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