Anlässlich unseres Aufenthaltes in Glashütte im August diesen Jahres, erhielten wir die Gelegenheit, bei Firma Tutima einen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen.
Herr Philipp, der uns von diversen früheren Begegnungen wohlbekannt ist, hieß uns am Glashütter Firmensitz in der Altenberger Straße sehr herzlich willkommen.
Das Gebäude, welches Tutima 2005 erwarb und nach umfassenden Umbau- und Renovierungsarbeiten 2008 bezog, ist ein aus dem Jahr 1931 stammendes Gebäude, in welchen einst Bedienstete der Bahn untergebracht waren, die sogenannte Bahnmeisterei.
Die Umgestaltung des historischen Gebäudes wurde von Tutima – dem neuen Auftritt der Marke entsprechend – aufwendig und geschmackvoll gestaltet. Das gesamte Interieur ist in den Farben Schwarz, Braun und Weiß gehalten, wobei vor allem natürliche Stoffe, wie z.B. Eichenholz, zum Einsatz kommen. Tutima nutzte dabei möglichst viele Rohstoffe und alteingesessene Handwerksbetriebe zu deren Verarbeitung aus der Region, um eine absolut authentische Gestaltung sicher zu stellen.
Zunächst gehen wir aber der Frage nach, welchen Bezug Tutima zu Glashütte hat, bzw. was Tutima dazu bewog, den vielen Freunden der Marke vertrauten Standort in Ganderkesee zu verlassen und (wieder) nach Glashütte überzusiedeln. Dazu bedarf es eines Ausflugs in die Geschichte der Firma und vor allem auch in die Geschehnisse in Glashütte um das Jahr1925.
Aus der Konkursmasse der Deutschen Präzisions-Uhrenfabrik Glashütte e.G.m.b.H (DPUG) werden im Dezember 1926 – auf Veranlassung der Gläubiger-Banken – die Aktiengesellschaften Uhren-Rohwerkefabrik AG (UROFA) und Uhrenfabrik Glashütte AG (UFAG) gegründet. Im Konkursverfahren der (DPUG) wirkte Dr. Ernst Kurtz als Justiziar mit. Im weiteren wurde Dr. Kurtz mit der Gründung der beiden neuen Gesellschaften beauftragt und zum Geschäftsführer und alleinigen Vorstand beider Unternehmen berufen.
Die Produktion wird nun weitgehend auf Armbanduhren umgestellt. Eines der ersten deutschen Armbanduhrwerke wird entwickelt und produziert. Als mit Anfang des Jahres 1927 die UROFA und die UFAG ihren Betrieb aufnahmen, war dies der Beginn der modernen Ära der Armbanduhr in Glashütte. Zum großen Erfolg der Marke trug neben dem außergewöhnlichen Qualitätsanspruch auch die Beharrlichkeit des Firmengründers Dr. Ernst Kurtz und sein Gespür für die Erfordernisse des Marktes bei. Die Spitzenqualitäten trugen den Namen „Tutima“ auf dem Zifferblatt.
Der Name soll sich vom lateinischen Adjektiv „tutus” („sicher, geschützt”) ableiten. Bekanntestes Produkt ist der Fliegerchronograph 1941, der als offizielle Replik des Fliegerchronographen der UFAG/UROFA von 1941 gilt.
Wie in zahlreichen anderen Betrieben auch, wurde nach Beginn des zweiten Weltkrieges auch bei der UFAG und UROFA die Produktion vermehrt auf Kriegsgerät umgestellt. Noch vor Kriegsende werden einige dieser Produktionszweige zu ihrem Schutz vor Bombenangriffen in kleinere Dörfer, unter anderem nach Memmelsdorf in Unterfranken, ausgelagert. Nach Kriegsende 1945, als die Uhrenindustrie in Glashütte in Trümmern lag, machte Dr. Kurtz das nahezu Unmögliche möglich. Er verließ am 07. Mai 1945 Glashütte endgültig und siedelte mit einigen seiner engsten Mitarbeiter sowie Teilen des noch vorhandenen Rohwerkebestandes nach Memmelsdorf um. Damit entzog er sich quasi in letzter Sekunde dem drohenden Zugriff der Roten Armee, um nach Kriegsende, mit dem verbliebenen Bestand an Rohwerken, eine neue Existenz aufzubauen. Noch im gleichen Jahr gründete er dort eine Uhrenfabrikation unter dem Namen „Uhrenfabrik Kurtz”. Die Basis dieses Unternehmens bildete der aus Glashütte ausgelagerte Montagebetrieb.
1951 wurde die Produktion dann an den heutigen Standort in Ganderkesee in Niedersachsen verlagert. Dr. Kurtz schuf damit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine wesentliche Grundvoraussetzung für das Unternehmen und die Wiedergeburt der Marke „Tutima“.
Nachdem die “Uhrenfabrik Kurtz” 1960 in einem schwierigen Umfeld vor dem Aus stand und um zumindest in Teilen weiterbestehen zu können, die Uhrenfabrikation auf Automatendrehteile umstellen musste, hat der ehemalige Mitarbeiter, Dieter Delecate, sich mit einer eigenen Großhandelsfirma für selbstständig gemacht. Er war es auch, der die Uhrenfabrikation, unter Zukauf fremder Rohwerke wieder aufnahm. Seine Uhren erhielten den von Dr. Ernst Kurtz einst in Glashütte gegründeten Namen “Tutima”. Am 7. April 1970 wurde der Name “Tutima” für Dieter Delecate beim Deutschen Patentamt geschützt.
Nach der Wende von 1989/90 stellte sich für den Geschäftsführer Dieter Delecate die Frage nach einer Rückkehr von Tutima nach Glashütte. Bis zum offiziellen Wiedereinzug der Marke in Glashütte ließ sich die Geschäftsleitung jedoch bewusst Zeit. Das lag nicht nur an der aufwendigen Gebäudesanierung, sondern auch an einer ganz besonderen Uhr, die zu diesem einmaligen Ereignis präsentiert werden sollte. Obwohl Tutima historisch vor allem für Fliegeruhren steht, sollte ein besonders hochwertiges und komplexes Modell an die Schaffenskraft des Gründers und Visionärs Ernst Kurtz erinnern.
Einen geeigneten Partner zur Umsetzung fanden die Delecates im renommierten Uhrmachermeister Rolf Lang. Der langjährige Chefrestaurator am Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden war zuvor unter anderem für A.Lange & Söhne tätig gewesen. Lang stellte ein kleines schlagkräftiges Team zusammen, mit dem Tutima nun in seine zweite Glashütter Ära geht und entwickelte das erste in Deutschland entwickelte und produzierte Minutenrepetitionswerk, eine der aufwendigsten Komplikationen schlechthin.
Die Hommage, so die offizielle Bezeichnung dieser einzigartigen Uhr, besteht aus insgesamt 550 Einzelteilen, die in einem Bauraum von nur 5,2 cm³ Platz finden müssen. Besonderer Schwerpunkt bei der Entwicklung des Uhrwerks wurde auf das Klangverhalten des Schlagwerkes gelegt. Im Gegensatz zu vergleichbaren Produkten anderer Premiumhersteller wirkt der Schlagrhythmus der Hommage gemächlicher und beruhigter.
Montiert wird das auf 25 Exemplare limitierte Uhrwerk von einer Person. Die Oberflächenpolitur von den zahlreichen Hebeln aus Stahl findet nach alter überlieferter Uhrmachertradition mittels Zinn per Hand statt. Durch die Zinnpolitur wird die Stahloberfläche zudem versiegelt und gegen Korrosion geschützt. Der Unruhkloben wird nach alter Glashütter Tradition aufwendig von Hand graviert.
Neben der Hommage werden in der Glashütter Manufaktur aber auch alle anderen neuen Modelle gefertigt und montiert. Da das von Tutima über viele Jahre in den Fliegerchronographen eingesetzte Chronographenkaliber Lemania 5100 nicht mehr verfügbar steht, war Tutima gezwungen, eine Alternative zu entwickeln, wollte man doch an der besonderen Anzeige der Stopp-Minuten, über einen Zeiger aus dem Zentrum heraus, festhalten. Einmal mehr entschied sich auch Tutima als Basiswerk für das bewährte ETA/Valjoux 7750. Dieses verfügt bekanntlich aber über einen separaten Minutentotalisator, so dass Tutima umfangreiche Veränderung am Werk vornehmen musste. Diese von Tutima modifizierte Variante läuft nun unter der Kaliberbezeichnung 521 und findet erstmals in der auf der Baselworld 2013 vorgestellten Saxon One Verwendung.
Das komplett bei Tutima entwickelte Handaufzugskaliber 617 basiert in seiner Basiskonstruktion auf dem Werk der Minutenrepetition. Der Unruhkloben wird hier aber nicht graviert, sondern ist durchbrochen. Das in Roségold gefertigte Gehäuse der „Patria“ genannten Uhr weist einen Durchmesser von 43 mm auf und wirkt am Handgelenk trotzdem überraschend elegant.
Die Patria wird in Versionen mit kleiner Sekunde, sowie auf Wunsch mit einer zweiten Zeitzone angeboten.
Die Räumlichkeiten im historischen Gebäude an der Altenberger Straße bieten keine Möglichkeit der Expansion; insofern ist Tutima bereits dabei, weitere Betriebsflächen in Glashütte zu beziehen, und einen Teil der Fertigungsprozesse dorthin auszulagern und die Fertigungstiefe über den Ausbau des Maschinenparks weiter zu erhöhen. Erwähnenswert ist auch die alte Guillochiermaschine aus dem Jahre 1910, die nach einer Grundüberholung in den nächsten Monaten in Betrieb gehen soll.
Die Vertriebsschwerpunkte von Tutima sind derzeit noch Deutschland und USA. An einer weiteren Internationalisierung wird gearbeitet und die positive Resonanz von der Baselworld 2013 bestätigt die hochgesteckten Erwartungen an die Rückkehr der Marke nach Glashütte.
Wir wünschen Herrn Philipp und seinem Team beim weiteren Auf- und Ausbau der Marke gutes Gelingen und viel Erfolg.
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