Ein neuer Werkehersteller macht von sich reden

Die Diskussion um die Versorgung von kleineren und größeren Uhrenherstellern mit Uhrwerken in hochwertiger Qualität und ausreichender Menge ist so alt, wie die bereits vor Jahren formulierte Ankündigung von Nicolas Hayek, Drittkunden, und damit auch häufig direkte Wettbewerber, nicht mehr mit Uhrwerken, hergestellt von der Swatch-Tochter ETA, beliefern zu wollen. Nick Hayek, Sohn des 2010 verstorbenen Swatch-Gründers Nicolas Hayek hat zur Klärung des Sachverhaltes deshalb auch die Schweizer Wettbewerbs-Kommission (Weka) angerufen.

Dem aktuellen Schiedsspruch folgend, muss die Swatch-Group auf Jahre hinaus die Hersteller von Uhren und Uhrwerken zwar weiterhin uneingeschränkt mit Bauteilen und Komponenten beliefern, nicht jedoch mit kompletten Werken.

An dieser Stelle wird sich über die Zeit eine weitere Verknappung ergeben. Und nicht jeder Hersteller wird in der Lage sein, ein eigenes Manufakturkaliber aufzulegen, was auch gar keinen Sinn ergäbe. Zum einen sind die Kosten und Risiken, diesen Weg zu beschreiten, extrem hoch und für den Endkunden, der eine bezahlbare, schöne Uhr in perfekter Qualität erwerben möchte, auch völlig nebensächlich, ob „unter der Haube“ ein sogenanntes Manufakturkaliber tickt, oder ein ausgereiftes und zuverlässiges Großserienprodukt, das jeder halbwegs gute Uhrmacher problemlos und zu überschaubaren Kosten warten und reparieren kann, sollte sich doch einmal ein Defekt einschleichen.

Eines der gerne verbauten Uhrwerke, welches eben genau diese Kriterien erfüllt, ist das ETA 2824 – zuverlässig wie ein VW Golf, mit hervorragenden Gangwerten und zudem hübsch anzusehen. Nur was tun, wenn die gewünschte Stückzahl von der ETA nicht mehr geliefert wird?

Nun, die Patente, die diese ausgereifte und zuverlässige Konstruktion geschützt haben, sind bekanntlich ausgelaufen. Was liegt also näher, als das, was anerkanntermaßen gut ist, zu übernehmen und dabei vielleicht sogar noch zu verbessern. Das hat zudem den unschätzbaren Vorteil, dass der Uhrenhersteller, der bislang ausschließlich das 2824 von der ETA eingesetzt hat, ohne Probleme auch ein baugleiches Kaliber eines anderen Herstellers einsetzen kann. Gehäuse, Zifferblatt, Zeiger, Werkhaltering, etc. bleiben identisch. So kann z.B. ein Teil der Uhren mit dem ETA Kaliber, ein anderer Teil mit baugleichen Werken eines anderen Herstellers bestückt und ausgeliefert werden.

Wer oder was sind nun die Alternativen zu besagtem ETA 2824. Der bekannteste Hersteller ist Sellita, ansässig im Schweizerischen La Chaux-de-Fonds. Mit dem SW-200 hat Sellita einen 2824 Clone auf den Markt gebracht, der heute bereits in vielen Uhren, auch bei jenen sehr namhafter Hersteller Einzug gehalten hat und damit seine Bewährungsprobe und hohe Akzeptanz längst hinter sich hat.

Die Bedarfe steigen jedoch weiter und so sind Lieferengpässe bzw. lange Wartezeiten auch bei Sellita zur Nomalität geworden. Also geht die Suche weiter, ob es nicht darüber hinaus weitere Alternativen gibt. Fündig wird der Kundige natürlich auch in China, schließlich bauen die Chinesen ja nahezu alles nach, was den Geschmack der westlichen Kunden trifft. Einer der namhaftesten chinesischen Hersteller, Tianjin Sea-Gull, bietet mit dem ST2130 einen Clone, der dem ETA 2824 nicht viel nachsteht. Woran es jedoch nach wie vor mangelt, ist eine gleichbleibend hohe Qualität. Die Werke streuen; es gibt sehr gute Exemplare, aber eben auch weniger gute. In einschlägigen Foren ist immer wieder davon zu lesen. Also gibt es zu ETA und Sellita noch immer keine wirkliche Alternative. Irgendwo muss der Preisunterschied ja auch herkommen. Oder etwa doch?

Denn jetzt kommt ein neuer Spieler auf´s Feld und möchte in den Ring der 2824 Alternativen ein- bzw. aufsteigen. Dieser Anbieter sitzt nicht in China, sondern in der Schweiz und kennzeichnet sein Produkt denn auch als Swiss Made. Es handelt sich um die ehemalige Firma PWH Production SA in Manno, im Schweizerischen Tessin, unweit von Lugano entfernt.


Im Bild: Werkemontage bei Swiss Technology Products SA in Manno, Tessin

Vermutlich den wenigsten bekannt, wurde diese Unternehmung 2006 als Start-Up gegründet und begann mit der Entwicklung von Uhrwerken. Nach rund 6 Jahren wurde alles Realität und das erste mechanische Uhrwerk, ein dem ETA 2824 sehr ähnliches Ergebnis konnte präsentiert werden. Just zu dieser Zeit war Fossil, der in Dallas, Texas, beheimatete, bekannte Hersteller und Anbieter von Uhren und Lifestyle-Accessoires, auf der Suche nach einem Werkeproduzenten, der fortan die steigende Zahl an Swiss Made Uhren mit mechanischen Werken beliefern würde.

Fossil wurde bei PWH Production SA fündig und übernahm 2012 den Betrieb als Mehrheitseigner. PWH Production SA wurde umbenannt in STP Swiss Technology Production SA. Das von STP entwickelte Uhrwerk erhielt die Bezeichnung STP 1-11.


Im Bild: Fixieren des Rotorlagers am STP 1-11

Nach Informationen von Martin Frey, Managing Director Fossil Group Europe, ist Fossil heute nach der Swatch Group, Richemont und Rolex, aber noch vor LVMH die Nr. 4 im weltweiten Uhren-Business. Dazu zählt eben nicht nur die Stammmarke Fossil, sondern auch die zahlreichen bekannten Lizenzmarken wie Burberry, Zodiac, Emporio Armani, Karl Lagerfeld, Adidas, Michael Kors und einige weitere. Mit dem Zukauf von Skagen im vergangenen Jahr hat Fossil einen weiteren bedeutsamen Expansionsschritt vollzogen. 75% des Gesamtumsatzes wird derzeit mit Uhren erzielt.

Die bereits 2002 in Basel gegründete Europa-Niederlassung beschäftigt vor Ort heute rund 250 Mitarbeiter. Weitere rund 100 Mitarbeiter sind bei zugekauften Schweizer Montage- und Zulieferbetrieben beschäftigt, die unter unter dem Dach der Montres Antima SA zusammengefasst wurden. Bereits heute produziert die Fossil Gruppe rund 400.000 Uhren in der Schweiz.

Weiteres Expansionspotenzial sieht Fossil in einer stetig wachsenden Mittelschicht in Asien, die die Gruppe verstärkt mit hochwertigen, dabei dennoch bezahlbaren „Swiss Made“ Produkten bedienen möchte.


Im Bild: Das STP 1-11 in der neuen Fossil Ref. FSW 1000, verziert mit Genfer Streifen auf dem Rotor und Perlierungen auf Platinen und Brücken.

Dabei hat Fossil bereits eine neue Uhrenlinie, bestückt mit dem neuen STP 1-11 aufgelegt. Das Werk ist dabei nicht nur optisch dem ETA 2824-2 ähnlich, es entspricht ihm auch bei wichtigen Kenndaten. Das STP 1-11 wird standardmäßig in einer dem ETA 2824 vergleichbaren Qualitätsstufe Elaboré gefertigt. Das Werk wird in 5 Lagen reguliert, die Unruh schwingt mit 4 Hz, entsprechend 28.800 Halbschwingungen je Std. und ist aus einer Mehrstofflegierung gefertigt. Nicht ohne Stolz betont STP, dass keine Bauteile oder Baugruppen von der Swatch Group bezogen werden. Auch hinsichtlich der Hemmungsbaugruppe, zu der u.a. die so wichtige Spiralfeder gehört, stützt sich STP auf zuverlässige andere Quellen. Nach Informationen des Herstellers liegt der Anteil der in der Schweiz produzierten Teile und Komponenten bei deutlich über 60%, lediglich einzelne Umfänge werden von Lieferanten außerhalb der Schweiz bezogen.


Im Bild: Das STP 1-11 in der Ausführung mit gebläuten Schrauben.

Bemerkenswert ist, dass das Werk – nach Angabe von STP – eine Gangautonomie von 44 Stunden besitzt, hier also durchaus Vorteile gegenüber der ETA Version auszumachen sind.

Das STP 1-11 ist standardmäßig mit einer Datumsanzeige versehen. Weitere Varianten bzw. zusätzliche Anzeigen und Komplikationen sind derzeit (noch) nicht erhältlich. STP arbeitet jedoch daran, die Modellfamilie Zug um Zug zu erweitern. In 2014 soll es mehr dazu geben.

Abschließend noch die gute Nachricht. Das STP 1-11 soll nicht nur den eigenen Bedarf decken, vielmehr ist dem Mutterhaus Fossil auch daran gelegen, das Drittkundengeschäft kontinuierlich auf- und auszubauen, um sich über den Einsatz bei weiteren Marken die erforderliche Marktakzeptanz als gleichwertige Alternative zu den etablierten Werkeherstellern zu verschaffen. Der ein oder andere Deutsche Uhrenhersteller, der schon sorgenvoll in die Zukunft blickte, kann sich über diese positiven Aussichten freuen. Solange die Chinesischen Produzenten die Qualitätskonstanz ihrer Werke nicht nachhaltig und nachweislich im Griff haben, tut jeder Hersteller, der das Label „Made in Germany“ als geltenden Qualitätsbegriff versteht, gut daran, sich zu überlegen, auf welche Alternative(n) er künftig setzt.

Insofern kommt Nick Hayek seinem Ziel, mehr Wettbewerb zu erreichen, damit wieder ein Stück näher. Zwar betont Fossil auf Nachfrage, dass nicht die Absicht bestünde, in ganz große Stückzahlen zu gehen und sich mit ETA oder Sellita zu messen, jedoch wird das Wettbewerbsumfeld in jedem Fall bunter und der ein oder andere kleinere Hersteller, der bei ETA – und mittlerweile auch Sellita – oft sehr lange Lieferzeiten in Kauf nehmen muss, kann mit dem STP 1-11 auf eine durchaus interessante Bereicherung hoffen.

© 2013 by DEUTSCHES UHRENPORTAL

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A new movement manufacturer on the market

The discussion concerning the provision of small and large watchmakers with high quality movements in a sufficient quantity is as old as the announcement of Nicolas Hayek, stating not to want to supply third parties, and with them many direct competitors, with movements manufactured by the SWATCH subsidiary ETA. Nick Hayek, son of the late SWATCH founder Nicolas Hayek, even called the Swiss Competition Commission (WEKO) in order to explain the current state.
The current arbitral award states that the SWATCH-Group has to continue providing the producers of watches and movements with an unlimited number of components and prefabricated parts, but not with complete movements.
After some time, this will mean another shortage. Not every watch manufacturer will be able to establish their own company made manufacture caliber, and it wouldn’t make much sense anyway. On the one hand, the costs and risk of the process are extremely high and, on the other hand, customers that want to purchase nice and affordable watches in perfect quality don’t care if it’s a manufacture caliber or the product of a fully developed and reliable series that can be repaired by most watchmakers.
One of the common installation movements, the ETA 2824, fulfills exactly the criteria mentioned before. It’s as reliable as a Volkswagen Golf – outraging motion and nice to look at. But what can you do, if the required quantity won’t be delivered anymore?
The patents that protected this fully developed and reliable construction have run out. So, what makes more sense than to use an already acknowledged product and maybe just alter it a bit to improve it? This also adds the advantage that the watch manufacturer, that previously had to exclusively use the 2824 from ETA, can now use any interchangeable assembly from any other movement manufacturer without any problems. Watch case, dial, hands, movement retaining ring, etc. remain the same. For example, a certain share of the produced watches could still be equipped with the ETA movement, but the other part with a mostly identical product e.g. from a different source.
So what or who is the alternative to the implied ETA 2824? The most famous manufacturer is Sellita, located in the La Chaux-de-Fonds, Switzerland. With the SW-200, Sellita placed a 2824 clone on the market, which is being used in countless watches, even those from well-known and famous watch manufacturers, for many years already and meanwhile gained a high level of reputation.
However the needs continue to grow, causing delivery bottlenecks and a long delay to be part of Sellitas normality meanwhile. So the search for alternatives goes on, ending more often in China. After all, Chinese people tend to copy pretty much anything that western customers like. One of the most famous Chinese movement manufacturers, the Tianjin Sea-Gull Group, also created a clone of the ETA 2824, the ST2130, which is nearly as good as the original. The main problem here is the consistency in quality. There are already some high quality movements, but some others are far away from that. This shows that there is still no ‘real’ alternative to ETA and Sellita. Or is there?
Now there is a new player in the game, wanting to join into the competition around finding a 2824 alternative. This manufacturer is not China based, but Swiss, and has proudly marked his product ‘Swiss Made’: It’s the former company PWH Production SA in Manno, in Swiss Tessin, not far from Lugano.


In the picture: Movement assembly at Swiss Technology Products in Manno, Tessin

The company was founded in 2006 as a Start-Up and started with the design and development of movements. After about 6 years everything turned into reality and the first mechanical movement, very similar to the ETA 2824, could be presented. During this time, FOSSIL, the famous manufacturer of watches and accessories from Dallas, Texas, was looking for a movement manufacturer to supply the rising number of Swiss Made watches with mechanical movements.
FOSSIL found what he was looking for in PWH Production SA and adopted the company as a majority shareholder. PWH Production SA was renamed into STP Swiss Technology Production SA. The developed movement was named STP 1-11.


In the picture: Fixing the rotor bearing on the STP 1-11

According to information from Martin Frey, Managing Director FOSSIL Group Europe, FOSSIL is fourth in worldwide watch making business, right after SWATCH-Group, Richemont and Rolex but before LVMH. This doesn’t only count default brands such as FOSSIL, but also license brands like Burberry, Zodiac, Emporio Armani, Karl Lagerfeld, Adidas, Michael Kors and some others. FOSSIL made a meaningful expansion cut with the acquisition of Skagen in the last year. 75 % of the total revenue is gained through watches.
The European Establishment was founded in Basel in 2002 and has about 250 employees. Another 100 laborers work at additional acquisitions, under the name of the Montres Antima SA. FOSSIL today produces annually up to 400.000 watches in Switzerland.
FOSSIL also expects further market share from the growing Asian Middle Class looking after high quality, not too expensive “Swiss Made” watches.


In the Picture: The STP 1-11 in the new Fossil Ref, F SW 1000, adorned with Geneva stripes on the rotor and pearling on plates and bridges.

FOSSIL already has launched a new watch collection, armed with the new STP 1-11. The product doesn’t only resemble the ETA 2824 in its appearance, but also in important characteristics. The STP 1-11 is produced in a quality level similar to the ETA 2824 high quality level Elaboré. The movement is adjusted to 5 positions, the balance wheel alternates with 4 Hz, equal to 28.800 half-waves per hour and is made from a special high performance alloy. STP is proud to emphasize, that no ETA parts were in use, not even important and difficult parts like the hairspring. According to the manufacturer´s information, the share of Swiss Made Parts being used in the movements is much higher than 60% and merely single parts are supplied by producers outside Switzerland.


In the Picture: The STP 1-11 movements finish using blued screws.

According to STP, the product has an autonomy of 44 hours, which is a huge advantage over the ETA product.
By default, the STP 1-11 has a date display. Other complications respectively are momentarily not available. However, STP is currently working on expanding the variety.
The STP 1-11 is not reserved just for FOSSIL´s own needs, but their plan is to continuously expanding the third parties business, to gain an acceptance as an equal alternative to established movement manufacturers. The one or another German watch manufacturer worried about the future can now be glad about this positive aspect. As long as the Chinese producers don’t produce sustainable high quality movements, every manufacturer counting on the label ‘Made in Germany’ as a guarantee for high quality, should think carefully about future alternatives.
Considering this, Nick Hayek came a bit closer to reaching more competition. Even though FOSSIL insisted on not wanting to expand productions into huge numbers and competing against ETA or Sellita, but the market is assured to become wider and one or another small manaufacturer that has long delays at ETA or Sellita, can hope for some interesting enrichment through the STP 1-11.

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© 2013 by DEUTSCHES-UHRENPORTAL
Translated by Carolina Kinzelmann

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