Anfang Mai 2013 folgte das Deutsche Uhrenportal einer Einladung der Firma Junghans nach Schramberg, gelegen in einem Tal im malerischen Schwarzwald. Die Tüftler und Uhrmacher sind häufig in Mittelgebirgstäler anzutreffen. Dort können Sie in den meist langen Wintermonaten ungestört ihrer diffizilen Arbeit an filigranen Konstruktionen nachgehen. Oder gerade deshalb bieten diese Täler den idealen Nährboden für diese Berufsbilder und die Menschen, die sich dafür begeistern lassen. Ob es nun im Müglitztal in Glashütte, Im Vallée de Joux im Schweizer Jura oder eben in Schramberg ist.
Schramberg und der ganze Schwarzwald haben eine lange Tradition in Sachen Uhren, Mikromechanik und High-Tech. Ob es in den Goldenen 60ern so berühmte Marken wie Dual, SABA, Kienzle oder Junghans waren, dort waren die Denkfabriken und Konstruktionsbüros des nach dem Kriege wiedererstarkten Deutschlands zu finden.
Mit dem Eintritt der Japaner in das Geschehen am Weltmarkt sollte sich das Bild dann aber ein für allemal verändern. Die quirligen Asiaten überschwemmten mit ihren preiswerten aber durchaus gut gemachten Produkten die Märkte und brachten dann auch noch Innovationen hervor, die die deutschen Unternehmen in eine Art Schockstarre versetzte.
Eine Übernahme jagte die andere und die Insolvenzen rafften die Firmen reihenweise dahin. Von dieser Marktbereinigung blieb auch der einst größte Uhrenhersteller der Welt „Junghans“ nicht verschont.
Die historischen Junghans Gebäude an der Geißhaldenstraße in Schramberg wurden nach und nach anderen Verwendungen zugeführt. Seit 2009 als Junghans durch die Schramberger Unternehmerfamilie Steim aus der Insolvenz befreit wurde, wendet sich das Blatt jedoch. So blickt der ankommende Besucher jetzt auf einen Gebäudekomplex, der heute mehr und mehr wieder von Junghans genutzt wird.
In den einzelnen Etagen sind Verwaltung, Produktdesign, Entwicklung und Konstruktion, Labor und weiter oben die Montageateliers untergebracht.
Die in zweiter Reihe befindlichen Terassengebäude wurden erst vor wenigen Monaten wieder zurückgekauft. Dort waren ursprünglich die lichtdurchfluteten Räume für die Uhrwerksmontage zu finden.
Der Technische Leiter von Junghans, Herr Jürgen Maier, führte uns aber nicht nur durch die Räumlichkeiten der historischen Gebäude sondern brachte uns zunächst die sehr bewegte Geschichte des Unternehmens nahe.
1861 gründete der Kaufmann Erhard Junghans (ganz links) gemeinsam mit seinem Schwager Jakob Zeller-Tobler das Unternehmen in Schramberg. Zunächst wurden nur Einzelteile für die Uhrenproduktion gefertigt, ab 1866 wurden dann die ersten kompletten Uhrwerke montiert.
Erhard Junghans starb bereits im Herbst 1870, worauf die Witwe Luise Junghans die Firmenleitung übernahm. Am 1. Juli 1875 wurde die Firma Junghans von Luise Junghans an die Söhne Erhard d. J. und Arthur verkauft. Laut Gesellschaftervertrag übernahm der ältere Sohn Erhard (d. J.) sowohl die kaufmännische, wie auch die technische Leitung.
Bereits Ende des 19. Jh. nahm Junghans die Fertigung von Weckern nach amerikanischem Vorbild auf, was zu einem starken Wachstum der Firma führte.
1890 wurde der 8-strahlige Stern, der heute noch das Markenzeichen des Unternehmens ist, erstmals eingetragen. 1903 war Junghans mit 3000 Beschäftigten und einer Produktion von über drei Millionen Uhren pro Jahr der weltweit größte Uhrenhersteller.
Bis Mitte des 20. Jh. wartete Junghans mit einer Vielzahl von Innovationen auf und war der Konkurrenz – auch jener aus der Schweiz – ebenbürdig, in einigen Punkten sogar eine Nasenlänge voraus.
Sogar ein eigenes Chronographenkaliber hatte Junghans bereits 1946 auf den Weg gebracht, wenngleich gewisse Ähnlichkeiten mit Schweizer Schaltrad Konstruktionen auszumachen sind.
1951 war Junghans dann der größte Chronometerhersteller in Deutschland.
Unter dem Dach der Diehl-Gruppe, welche die Gebrüder Junghans AG Mitte der 1950er-Jahre übernommen hatte, wurden 1984 die beiden Geschäftszweige Uhren und Zündertechnik getrennt.
Mit dem Siegeszug der Quartzuhr aus asiatischer Fertigung konnte Junghans, wie auch alle anderen deutschen Uhrenhersteller, jedoch nicht Schritt halten und besann sich in der Folge einer neuen Technologie, die das Überleben der Firma sicherte: Die Funkuhr; eine Technologie, die bis heute für Junghans ein wichtiges Standbein darstellt.
1976 wurde die Herstellung mechanischer Uhrwerke komplett eingestellt, und der Schwerpunkt aller Entwicklungsanstrengungen wurde fortan vollständig auf die Perfektionierung der Quarzuhr verlagert.
1986 präsentierte Junghans eine funkgesteuerte Tischuhr, eine der ersten kommerziellen Funkuhren der Welt. Sie ist in der Lage, sich auf die Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig mit DCF77-Sender bei Frankfurt am Main einzustellen. 1990 folgte mit der digitalen MEGA 1 die weltweit erste funkgesteuerte Armbanduhr. 1995 stellte Junghans dann eine Kombination aus Funkarmbanduhr mit Solarzellen und Keramikgehäuse vor, die MEGA Solar Ceramic.
Die Diehl-Gruppe verkaufte die Uhrensparte von Junghans im Jahr 2000 an die Holdinggesellschaft EganaGoldpfeil, wo die Marke von dem bekannten Uhrenmanager Heinz W. Pfeifer betreut wurde. Bereits unter seiner Leitung setzte er eine grundlegende Neuausrichtung der Junghans-Kollektion mit Rückbesinnung auf die Mechanik durch.
Als Hommage an den Uhrengründer wurde 2006 die Marke Erhard Junghans eingeführt, ausschließlich mit mechanischen, jedoch zugekauften, Uhrwerken bestückt. Seit 2011 wird Erhard Junghans jedoch nicht mehr als eigenständige Marke, sondern als Produktlinie von Junghans geführt.
Die Junghans Uhren GmbH stellte am 29. August 2008 einen Insolvenzantrag, nachdem der Mutterkonzern kurz zuvor selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Das Unternehmen beschäftigte zu diesem Zeitpunkt noch 115 Mitarbeiter.
Dr. Steim, Ehrenbürger der Stadt Schramberg, hatte am 22. September 2008 ein E-Mail vom Bürgermeister erhalten, worin dieser nachfragte, ob er sich vorstellen könne, Junghans zu retten. Am 22. Januar 2009 konnte der Insolvenzverwalter dann schließlich mitteilen, dass ein Käufer für die Junghans Uhren GmbH gefunden worden war und zwar jener Schramberger Unternehmer und Ehrenbürger Dr. Hans-Jochem Steim.
Steim führt seit 1991 die Kern-Liebers Firmengruppe. Der Betrieb wurde von seinem Urgroßvater Hugo Kern 1888 ursprünglich als Produktionsstätte für Zugfedern für die Schwarzwälder Uhrenindustrie gegründet und im 20. Jahrhundert durch seinen Vater, Kurt Steim zu einem führenden Unternehmen mit vielfältiger Produktpalette (Platinen für die Textilindustrie, Rückholfedern für Sicherheitsgurte) weiterentwickelt. Das Unternehmen zählt weltweit rund 6000 Beschäftigte.
Am 1. Februar 2009 übernahm Steim, gemeinsam mit seinem Sohn Hannes, den Geschäftsbetrieb sowie alle Sparten des Unternehmens, das seitdem unter dem Namen Uhrenfabrik Junghans GmbH & Co.KG firmiert.
2011 feierte das Unternehmen das 150-jährige Firmenjubiläum mit limitierten Modellen und der Neuinterpretation historischer Serien.
Im großen Besprechungsraum werden in den säulenartigen Vitrinen die wichtigsten Vertreter der aktuellen Kollektion präsentiert.
Als TOP-Linie mit eigenen hochwertigen mechanischen Modellen „Erhard Junghans“. Die fein aufgearbeiteten und veredelten Werke wurden gemeinsam mit SEIKO entwickelt. In den Handaufzugsmodellen kommt das neue, ebenfalls sehr fein gearbeitete Kaliber J330 zum Einsatz.
Die 2012 neu ins Programm aufgenommene sportliche Uhrenlinie „Bogner by Junghans“. Hier dominieren die eher kühlen Farbtöne des Wintersports.
Als Hommage an die Sportzeitmessung der Olympischen Spiele in München 1972 wurde die Kollektion „1972“ aufgelegt.
Die Formensprache bedient sich denn auch wieder einiger Merkmale der 70er.
Ein Klassiker und Zugpferd zugleich die Kollektion „max bill by junghans“. Der Erfolg gibt Junghans recht; ähnliche Modelle anderer Anbieter bestätigen dies.
Blick in eines der Montageateliers im Hauptgebäude. Dort ölt eine Mitarbeiterin unter Reinraumbedingungen nach dem Zusammenbau gerade ein Quartzwerk, das als Antrieb in einer Junghans MEGA Solar Verwendung finden wird.
Junghans fertigt pro Jahr rund 50.000 Uhren. Davon sind rund die Hälfte mit mechanischen Werken bestückt, die anderen mit Quartzwerken. Einen wichtigen Pfeiler bilden die Uhren mit Funkmodul und Solarzellen. Junghans ist stolz – neben der hohen Entwicklungskompetenz – in diesem Bereich nunmehr auch eine hohe Fertigungstiefe erreicht zu haben und die wichtigsten Arbeits- und Montageschritte in Schramberg zu bündeln. Wir wurden deshalb gebeten, in diesem Bereich keine Bilder aufzunehmen.
Die Entwicklungskompetenz schließt neben der Hard- auch die Softwareentwicklung für die Funkmodule mit ein, so dass Anforderungen des Marktes an neue Funktionalitäten oder Anzeigen rasch in neue Produkte einfließen können.
Bei mechanischen Werken ist Junghans nach wie vor überwiegend auf Zukäufe angewiesen. Die wichtigsten Lieferanten sind die Swatch-Group, SEIKO und zukünftig wohl vermehrt auch SOPROD. Über die Kompetenzen im Bau von Spiralfedern, bei der zur Kern-Liebers Gruppe gehörenden Firma Carl Haas, erschließen sich aber für die Zukunft ganz neue Möglichkeiten.
Das in einigen Erhard Junghans Modellen tickende Handaufzugskaliber J330 ist bereits mit einer gebläuten Breguet-Spirale aus dem Hause Carl Hass ausgerüstet. Erstmals ist es gelungen, aus dem Werkstoff Nivarox eine Spiralfeder herzustellen, die sich im klassischen Blau präsentiert. Damit schließt sich ein Kreis, denn die Firma Carl Haas hatte schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts Spiralfedern an Junghans geliefert und erst vor kurzem wieder mit der Fertigung von Federn für Uhren begonnen.
Nach einer Fahrt im traditionellen Paternosteraufzug erreichen wir im obersten Stockwerk das firmeneigene Museum.
Gleich am Eingang das Thema Sportzeitmessung. 1972 war Junghans offizieller Zeitnehmer der Olympischen Sommerspiele in München.
Aber auch die Tisch- und Wanduhren von Junghans waren in den 60er und 70er Jahren in nahezu jedem deutschen Wohnzimmer zu finden.
Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg von der mechanischen Uhr zur Quartzuhr, das elektromechanische Werk, der sogenannte ATO-Mat.
Junghans entwickelte in den Jahren 1962 bis 1976 nacheinander mehrere Serien von elektrischen Großuhrwerken nach dem sogenannten ATO Prinzip. Diese wurden in großen Stückzahlen hergestellt. Sie zeichneten sich durch hohe Zuverlässigkeit und lange Lebensdauer aus.
Gemeinsam war diesen Uhren das Antriebsprinzip, ein genial einfaches, direkt angetriebenes, elektromagnetisches Unruhschwingsystem.
Vereinfacht dargestellt, funktioniert der Antriebsvorgang, wie folgt: Auf der Unruh befindet sich ein Permanentmagnet. In der Nulllage der Unruh befindet sich im Luftspalt zwischen den Magneten ein feststehendes Spulenpaar, bestehend aus Antriebs- und Steuerspule. Bei Bewegung der Unruh erzeugen die Magnete beim Durchlaufen der Nulllage einen Spannungsimpuls in der Steuerspule, die einen Transistor ansteuert. Dieser steuert nun den Stromfluss durch die Antriebsspule und verleiht der Unruh mit Ihrem Permanentmagneten einen kurzen Antriebsimpuls. Der Vorgang wiederholt sich bei jeder Halbschwingung.
Auch Taschenuhren gehörten über viele Jahre zum festen Repertoire von Junghans.
Im Bild das Junghans eigene Handaufzugskaliber 82/1 mit Feinregulierung und Chronometerzeugnis von 1958. Rotvergoldete Platinen und Brücken, 17 Steine, große monometallische Schraubenunruh mit Unruh-Stopp, die typische Junghans-Stoßsicherung und Fein-Reglage mit weitem Einstellbereich.
Das Kaliber J88, ein sehr hochwertiges Schaltrad Chronographenkaliber aus dem Jahre 1946, ebenfalls ausgestattet mit der Junghans-eigenen Stosssicherung.
2004 präsentierte die Junghans die Multifrequenz-Funkuhr, die Signale der Zeitzeichensender DCF77 in Europa, JJY in Japan und WWVB in den USA empfängt. Die Energieversorgung übernimmt eine großflächige Solarzelle und speichert diese in einem Kondensator; der Batteriewechsel kann damit entfallen.
Von 1957 bis 1962 kreierte der Schweizer Künstler Max Bill für die Firma Wand-, Tisch- und Armbanduhren in schlichtem, zeitlosem Bauhaus-Design, die sich noch heute größter Beliebtheit erfreuen und inzwischen als Linie „max bill by junghans“ wieder aufgelegt wurden.
Wir sind beeindruckt von der bunten Vergangenheit, der Vielfalt und der Schaffenskraft dieses u(h)rdeutschen Unternehmens, das schon viele Facetten erleben musste und freuen uns, dass der neue Eigentümer, die Familie Steim, in Junghans ein nachhaltiges Investment sieht und die Begeisterung und Rückbesinnung zur mechanischen Uhr auch letztlich wieder etwas mit der Herstellung von Federn zu tun hat.
Auch wir wünschen eine Gute Zeit mit Junghans!
Links:
- Junghans im DEUTSCHEN UHRENPORTAL
- Webseite von JUNGHANS
- Bilder zu Junghans in der Galerie UHRMACHERKUNST
- Beiträge zu Junghans im Blog DEUTSCHE UHRMACHER
Quellenangabe: Textauszüge zur Geschichte von Junghans aus Wikipedia
Ja, es ist schön zu sehen, dass die Marke Junghans sich nach den Wirren der letzten 8 Jahre wieder erholt hat. Auf dem Weg, den Junghans jetzt einschlägt, wird die Marke immer einen Stammplatz im Herzen der Uhren-Fans haben.
Liebe Leute von Junghans,
ich finde einige außereuropäische und deutsche Uhren gut. Am besten finde ich aber die Junghans Uhren. Sie verkörpern eine Zeit und haben Stil.
Ich trage eine 23 Jahrealte „Junhans Solar Mega Tec“ und das Design ist für mich immer noch Einzigartig. dickes D A N K E und weiter so
Ich freue mich, dass Junghans wieder und immer noch lebt.
Sehr schön, alles zu besichtigen in Schramberg!