Fortsetzung von: Der Mythos Glashütte. Das Ergebnis einer Recherche (Teil 2)
B.Junge & Söhne
Der Dresdener Uhrengroßhändler J. Bernhard Junge gehörte in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts zu den bekannten Persönlichkeiten der deutschen Uhrmacherei. Im Jahre 1891 vollzog er den Schritt vom Händler zum Hersteller und gründete mit seinen Söhnen eine Uhrenmanufaktur und läutete so die Geburtsstunde der Marke B.Junge & Söhne ein.
Wie fast alle damaligen Glashütter Uhrenhersteller so ließ auch B.Junge & Söhne die einzelnen Uhrenkomponenten bei ausgewiesenen Spezialisten ortsansässiger Zulieferbetriebe fertigen: die Hemmungsteile z.B. bei F. Weichhold, die Zahnräder bei Gustav Jungnickel, alle Triebe, Schrauben und Faconteile bei Paul Gläser, und die Uhrengehäuse stammten von Max Gutkäs. Eben diese Komponentenhersteller waren es, die maßgeblich zum Weltruhm der hochwertiger Glashütter Zeitmesser beitrugen, zu denen seit 1891 auch die Uhren von B. Junge & Söhne zählten.
Uhren aus dem Hause B.Junge & Söhne waren einzeln nummeriert und jeder Verkauf wurde im Stammbuch der Manufaktur sorgfältig protokolliert, ganz der Tradition hochwertiger Glashütter Uhrenmarken verpflichtet.
Kein geringerer als Heinz W. Pfeifer, der bereits der Traditionsmarke „Glashütte Original“ nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu erneuter Weltgeltung verholfen hatte, gründete, zusammen mit zwei Investoren, die Nova Tempora in Meisenheim, unweit von Bad Kreuznach. Er brachte dort neben den Markenrechte an „Dugena“ auch „B. Junge & Sohne“ mit ein.
Nach mehr als 100 Jahren wurde die Traditionsmarke wiederbelebt, mit der im Oktober 2010 lancierten neuen Kollektion in Form einer modular aufgebauten, modernen Sportuhr.
Wie in den Gründerjahren greift B. Junge & Söhne auf Uhrenkomponenten von spezialisierten Zulieferbetrieben der Glashütter Uhrenindustrie zurück. Angetrieben werden die Uhren z.B. von hochwertigen, im Traditionshaus „Mühle-Glashütte“ modifizierten und veredelten Werken, wo diese auch montiert und in die Gehäuse eingeschalt werden.
Nach einem Firmensitz von B.Junge & Söhne hält man in Glashütte indes vergebens Ausschau. Im Impressum der Hersteller Webseite ist als Firmensitz vielmehr die NOVA Tempora in Meisenheim bei Bad Kreuznach zu finden, über die auch Vertrieb und Service erfolgt.
Wempe
Der Uhrmacher Gerhard Wempe gründete im Jahr 1878 das Unternehmen Wempe mit einem kleinen Uhrengeschäft im Haus seiner Tante in Elsfleth an der Weser. Nach einem Umzug nach Oldenburg im Jahr 1894 nahm er nach der Jahrhundertwende erste Geschäftsbeziehungen zu Schweizer Uhrenmanufakturen auf. 1907 eröffnete dann das erste Geschäft in Hamburg im damals noch eigenständigen Altona. Hier konnte so viel Umsatz erzielt werden, dass das Unternehmen 1914 bereits fünf Niederlassungen in Hamburg umfasste.
1923 erwarb Wempe ein Kaufmannhaus in der Hamburger Steinstraße und benannte es „Gülden Gerd“. Auch heute noch befindet sich in diesem Gebäude der Firmensitz von Wempe. 1938 kaufte Wempe die Chronometerwerke Hamburg, die 1905 von großen deutschen Reedern aus Hamburg und Bremen gegründet worden waren.
Ende der 30er Jahre kamen 2 Uhrmacher zusammen, die den Werdegang der Sternwarte in Glashütte entscheidend beeinflussen sollten: Otto Lange, Enkel des Begründers der sächsischen Uhrenindustrie Ferdinand A. Lange, und Herbert Wempe, Inhaber der Wempe Chronometerwerke, gründeten gemeinsam die Arbeitsgemeinschaft „Sternwarte Glashütte“. Ihr Ziel: Ein Forschungs- und Weiterbildungsinstitut für junge Uhrmacher sowie ein Réglage- Institut zu etablieren.
Mit dem Krieg folgten schwere Zeiten für die Sternwarte. Ende der 40er Jahre lösten die Alliierten die Uhrmacherverbindung in Glashütte auf. Die Sternwarte wurde zum kommunalen Eigentum und drohte im geteilten Deutschland in Vergessenheit zu geraten.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde auch Hamburg schwer getroffen und alle Geschäfte des Unternehmens wurden zerstört. Der Wiederaufbau nach dem Krieg und die (internationale) Expansion sind geprägt durch Hellmut Wempe, den Enkel des Gründers. Er trat 1951 in das Geschäft seines Vaters ein und holte 1953 Rolex als eine der nobelsten Schweizer Uhrenmarken nach Deutschland. Als eigene Uhrenlinie des Hauses Wempe wurde zwei Jahre später die Marke „Wempe Zeitmeister“ ins Leben gerufen.
Als sich Wempe vor einigen Jahren entschloss, eine eigene Produktionsstätte für Chronometer in Glashütte zu betreiben, kam nur ein Ort dafür in Frage. Und so hat Wempe die mittlerweile zur Ruine zerfallene Sternwarte aufwändig restauriert und fertigt dort seit 2006 seine eigenen Uhrenlinien „Wempe Zeitmeister Glashütte i/SA“ und „Wempe Chronometerwerke Glashütte i/SA“.
Zudem hat Wempe in der Glashütter Sternwarte in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Mess- und Eichwesen Thüringen (LMET) sowie dem Sächsischen Landesamt für Mess- und Eichwesen (SLME) in Glashütte die einzige deutsche Prüfstelle für Armbandchronometer nach DIN-Norm aufgebaut.
Das Deutsche Uhrenmuseum Glashütte
Zur Bewahrung der wechselvollen Geschichte und des historischen Erbes der Stadt Glashütte und ihrer Tradition gründeten die Stadt Glashütte und die Manufaktur Glashütte Original im Jahr 2006 gemeinsam die Stiftung „Deutsches Uhrenmuseum Glashütte – Nicolas G. Hayek“. Unter dem Motto „Faszination Zeit – Zeit erleben“ inszeniert das Deutsche Uhrenmuseum Glashütte nicht nur die lange Historie des mechanischen Uhrenbaus, sondern verschafft auch einen emotionalen Zugang zum Phänomen Zeit.
Auf zwei Stockwerken und 1000m² Ausstellungsfläche werden im Stadtzentrum in einem historischen Gebäude mehr als 400 einmalige Exponate multimedial erlebbar präsentiert. Glashütter Taschen- und Armbanduhren verschiedener Epochen, Marinechronometer, historische Urkunden, Werkzeuge sowie astronomische Modelle werden kunstvoll in Szene gesetzt.
Seit der feierlichen Eröffnung im Mai 2008 ist das Museum zum Anziehungspunkt für Uhrenenthusiasten aus dem In- und Ausland geworden, die die Tradition und Perfektion der Glashütter Uhrmacherkunst hautnah erleben möchten.
Deutsches Uhrenmuseum Glashütte
Schillerstr. 3a
01768 Glashütte
Tel.: 035053/46283
Fax: 035053/46285
Öffnungszeiten:
Täglich von 10 – 17 Uhr.
SUG (Sächsische Uhrentechnologie GmbH)
Die SUG ist ein Spezialist für die Herstellung hochwertiger Uhrengehäuse. Die Gründung des Unternehmens erfolgte im Dezember 1998 durch die Herren Dr.-Ing. Ronald Boldt, Ing. Lothar Schmidt und Ing. Walter Fricker. Im September 1999 war es dann so weit: Die Fertigung konnte aufgenommen werden. In der Aufbauphase der SUG hatte die Sinn Spezialuhren GmbH & Co. KG durch die Vergabe der Auftragsfertigung von Gehäusen für Armbanduhren einen nicht unerheblichen Anteil am soliden Aufbau des Unternehmens. Darüber hinaus gibt es einen regen und fruchtbaren Technologietransfer zwischen beiden Unternehmen in Frankfurt und Glashütte.
Bis 2002 erfolgte der kontinuierliche Ausbau und die Konsolidierung des Unternehmens. Im Juni 2002 konnte das Zertifizierungsverfahren für das Qualitätsmanagement-System nach DIN EN ISO 9002 abgeschlossen werden. Die Sächsische Uhrentechnologie GmbH Glashütte ist damit der erste deutsche Fertigungsbetrieb für hochwertige Uhrengehäuse, der auf diese Weise seinen hohen Qualitätsanspruch dokumentieren konnte. Die Herkunft der Gehäuse wird durch eine Gravur zwischen den unteren Anstößen belegt. Neben dieser Produktschiene, die mit Hinblick auf die technischen Detaillösungen und auf die hochmodernen Fertigungsverfahren allerhöchsten Ansprüchen genügt, hat die SUG sich parallel eine bedeutende Technologiekompetenz im Bereich medizinischer Implantate erarbeitet. Beide Geschäftsbereiche profitieren voneinander.
Am 12. August 2002 wird das noch junge Unternehmen von einer Naturkatastrophe schwer getroffen. Die Jahrhundertflut verursacht bei der SUG einen Totalschaden. Die Überwindung dieser Schäden und die schrittweise Wiederaufnahme der Fertigung dauerte bis 2003 an. Zielstrebig setzte das Unternehmen aber seinen Erfolgskurs fort und erweiterte die personelle und technologische Basis. Zu den bekannten Kunden der SUG Glashütte zählen Hersteller wie z.B. die Sinn Spezialuhren GmbH & Co. KG, die Mühle-Uhren GmbH Glashütte, Hemess Glashütte, Lang & Heyne Dresden und Jacques Etoile.
GUROFA
Verlässt man das Städtchen Glashütte südwärts und fährt weiter der Müglitz entlang bis nach Bärenstein, so trifft man dort rechter Hand auf das Fabrikationsgebäude der GUROFA. GUROFA steht für Glashütter Uhrenrohwerkefabrik GmbH. Den Uhrenkenner erinnert dieser Name an die Glashütter UROFA. Die Namensgebung ist somit eng mit der Glashütter Tradition verbunden.
Die GUROFA entstand ursprünglich als Gemeinschaftsunternehmen der Mühle-Glashütte GmbH, Nautische Instrumente & Feinmechanik und des Schweizer Uhrwerke- Herstellers Sellita Watch & Co. SA. Mühle musste sich jedoch bereits 2007 als Folge der eigenen Insolvenz aus dem Gemeinschaftsunternehmen wieder zurückziehen.
Die ETA SA Manufacture Horlogère Suisse will ab 2010 nur noch komplett montierte Uhrwerke liefern und nicht wie bisher Einzelteile. Zudem sollen die für Drittkunden bestimmten Stückzahlen weiter limitiert und reduziert werden. „Wir müssen einen Lieferanten ersetzen“, sagte Sellita Geschäftsführer Miguel Garcia anlässlich der offiziellen GUROFA- Einweihung in Glashütte.
Die Selitta-Gruppe baut den Standort derzeit kräftig aus und produziert dort im wesentlichen Platinen für die Rohwerkefertigung in der Schweiz.
Zusammenfassung:
Fassen wir nach diesem umfassenden Exkurs in die Geschichte der Uhrmacherei von Glashütte zusammen.
Es gibt insgesamt 4 Epochen, die die Geschichte und mithin das heutige Gesicht von Glashütte maßgeblich prägen.
1. Die Zeit ab 1845, als Ferdinand Adolph Lange sich in Glashütte niederließ und dort eine nachhaltige Basis für die Uhrmacherei schuf und kontinuierlich aufbaute. Diese Phase des Aufbaus war geprägt davon, der bereits damals übermächtigen Konkurrenz aus der Schweiz etwas Gleichwertiges entgegen zu setzen und gleichzeitig dem strukturschwachen Gebiet Erzgebirge eine Perspektive zu geben. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Heraufziehen der Weltwirtschaftskrise wurde auch Glashütte schwer in Mitleidenschaft gezogen. Viele Betriebe gingen in Insolvenz und verschwanden.
2. 1926 mit der Gründung der UROFA (Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG) und der UFAG (Uhrenfabrik Glashütte AG) zog frischer Wind in Glashütte ein und das Zeitalter der industriellen Uhrenfertigung begann. In dieser Zeit wurde z.B. „Tutima“ als Premiummarke gegründet. Aber im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurden in den Präzisionsfertigungsstätten neben Uhren und anderen Instrumenten aber zunehmend auch Zünder und anderes Kriegsmaterial produziert. Diese Epoche nahm am 08. Mai 1945, als nach einem verheerenden Bombenangriff der Sowjetischen Luftwaffe Glashütte schwer getroffen wurde, ein jähes Ende.
3. Nun folgte die Zeit der Demontagen und Zusammenführung der Restbestände zu einem Volkseigenen Betrieb. 1951 wurden die verbliebenen Glashütter Uhrenfirmen in dem VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) zusammengefasst. Der VEB Glashütter Uhrenbetriebe hatte die Aufgabe, die Ostblockstaaten mit Uhren aller Art zu versorgen. Aus dieser Zeit stammt z.B auch die bekannte Glashütte Spezimatic mit dem Kaliber GUB 75.
4. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde aus dem VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH als Rechtsnachfolger aller früheren Unternehmen der Glashütter Uhrenindustrie. Nun begann – getrieben durch die Treuhandanstalt – die Zeit der Privatisierung. Nur ganz wenige Betriebe haben es aus eigener Kraft vermocht – und jenen gilt unser tiefster Respekt – wieder Fuß zu fassen und aus der zurückliegenden, sehr bunten Geschichte heraus Marke und Produkt wieder zu Weltgeltung zu führen.
Glashütte als Standort wichtiger deutscher Premiummarken wäre wohl nicht so rasch wieder auf die Beine gekommen, hätte nicht ausreichend Fremdkapital in Form von EU-Födergeldern oder Investoren und deren Know How aus der Schweiz für die entsprechende Dynamik gesorgt. So sind die beiden Schweizer Großkonzerne Swatch Group und Richmont die wohl wichtigsten Arbeitgeber und Steuerzahler in dem kleinen, immer noch verträumt anmutenden Städtchen. Über deren global aufgespannten Vertriebswege sind die Aussichten für einen nachhaltigen Erfolg garantiert.
Die erst vor wenigen Jahren zumTeil mit hohem finanziellen Einsatz wiederbelebten und nicht den beiden zuvor genannten Konzernen angehörenden alten Marken müssen dagegen erst noch den Beweis antreten, dass der Namenszusatz „Glashütte i/SA“ auf dem Ziffernblatt als Zugpferd genügend Strahlkraft besitzt und sie auch ohne weitere Förderung auf Dauer profitabel wirtschaften und im harten Wettbewerb bestehen können.
Als kritisch stufen wir Anbieter ein, die ihre Uhren zwar in Glashütte fertigen und montieren lassen und damit wohl auch die Vorgaben der Glashütter-Regel erfüllen, jedoch kein eigenes Atelier vor Ort unterhalten und damit dem Kunden und Uhrenliebhaber auch nicht die Möglichkeit eröffnen, sich persönlich vor Ort, im Rahmen eines Besuchs, ein Bild zu machen.
Der Autor:
Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft überwiegend für deutsche Automobilhersteller und deren Zulieferer tätig und als begeisterter Uhrensammler auch Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal.
Quellenangabe:
Einzelne Textbausteine zusammengestellt aus Wikipedia und Uhren-Wiki, ergänzt um umfassende Recherchen zu den Einzelthemen sowie Erkenntnissen aus zahlreichen Gesprächen vor Ort.
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